Auftaktveranstaltung der Bucerius Campus-Dialoge

Prof. Dr. Michael Grünberger und Katharina Fegebank im Dialog über Wissenschaftsfreiheit und Antisemitismus an Hochschulen

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Zum Auftakt ihres 25-jährigen Bestehens startete die Veranstaltungsreihe „Bucerius Campus-Dialoge“ an der Bucerius Law School, organisiert vom Studium generale. Prof. Michael Grünberger, Präsident der Bucerius Law School diskutierte mit Katharina Fegebank, zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg und Wissenschaftssenatorin über zentrale Themen auf der Schnittstelle von Hochschulen und Politik: Wissenschaftsfreiheit, Antisemitismus an Hochschulen und die Exzellenzstrategie des Bundes.

Im Rahmen seiner Begrüßung betonte Prof. Manuel J. Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, die Verantwortung von Hochschulen, Desinformation aktiv entgegenzuwirken und die Wissenschaftskommunikation zu stärken. Dabei würdigte er die Bucerius Law School als Vorreiterin in der Jurist:innenausbildung und als private Stiftungshochschule für das Gemeinwohl.

 

Vertrauen in Wissenschaft: Ein transatlantischer Blick

Prof. Michael Grünberger eröffnete den Dialog mit aktuellen Umfragedaten zum Vertrauen in Wissenschaft und Forschung in Deutschland und den USA. Während in Deutschland lediglich 9 % der Bevölkerung der Wissenschaft nicht vertrauen, liegt dieser Anteil in den USA bei 23 %. Er interpretierte die Daten, dass die Corona-Pandemie in den USA zu einem signifikanten Vertrauensverlust geführt hat, der bis heute anhält, während in Deutschland die Schwankungen geringer ausfielen. 

Katharina Fegebank erklärte diesen Unterschied auch mit der stärkeren politischen Polarisierung in den USA, die durch Desinformation und Fake News zusätzlich befeuert wurde. Sie betonte, dass wissenschaftliche Institutionen nicht losgelöst vom gesellschaftlichen und politischen Umfeld betrachtet werden können. Die Pandemie habe in den USA wissenschaftliche Erkenntnisse, insbesondere im Zusammenhang mit Freiheitsdebatten, zu einem Angriffsziel politischer Instrumentalisierung gemacht. 

 

 

Die von Michael Grünberger vorgestellten Daten, wonach das Misstrauen in die Wissenschaft bei Anhänger:innen der Republikaner deutlich stärker ausgeprägt sei, interpretierte Fegebank als Beleg für Ihre These, dass die Wissenschaft in den USA stärker politisch instrumentalisiert wird. Das verschärfe gesellschaftliche Spannungen und schwäche das Vertrauen in wissenschaftliche Institutionen. Sie führte dies unter anderem auf Polarisierungsstrategien und gezielte Desinformation zurück.

Grünberger und Fegebank waren sich einig, dass die stärkere politische Polarisierung in den USA Forschende häufiger zu Zielscheiben macht und deren Arbeit erschwert. Sie betonten die zentrale Rolle von Transparenz, Aufklärung und politischer Unabhängigkeit, um das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken und ihre gesellschaftliche Bedeutung zu bewahren.

 

 

Spannungsfeld zwischen Wissenschaftsfreiheit und Schutzpflicht

In diesem Zusammenhang sprachen Grünberger und Fegebank auch über den – von Grünberger wahrgenommenen – politischen Druck auf Hochschulen durch die Antisemitismus-Resolution des Bundestages. Diese fordere im Kern, dass sich Hochschulen vollständig in allen Bereichen eine wissenschaftlich gerade umstrittene Begriffsdefinition aneignen. 

Das, so Grünberger, berühre die Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen selbst und bringe sie zudem in ein Dilemma: Sie müssten einerseits die Wissenschafts- und Meinungsfreiheit der Hochschulanghörigen schützen, und würden andererseits aber gedrängt, Sanktionsmaßnahme auf eine umstrittene und rechtlich bewusst als unverbindlich ausgestaltete Definition zu stützen.

Ausdrücklich im Hamburgischen Hochschulgesetz ist geregelt, dass wir als Hochschulen die Verantwortung haben, Diskriminierungen nicht nur gegenüber Arbeitnehmer:innen, sondern auch unseren Studierenden gegenüber zu unterbinden“, so Prof. Michael Grünberger.

Grünberger unterstreicht die zweifache Aufgabe von Hochschulen: Sie seien als Organisationseinheiten gegenüber allen Hochschulangehörigen und Gästen verpflichtet, diese vor Diskriminierung und insbesondere auch vor antisemitischen Handlungen zu schützten. Zugleich seien sie aber auch Foren der Meinungsfreiheit und Orte des wissenschaftlichen Diskurses, wo gerade kontrovers über gesellschaftliche Verantwortung diskutiert werden muss. 

Er formulierte die These, dass vielleicht eine klare Trennung dieser beiden Dimensionen helfen könne, das Spannungsverhältnis von Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit einerseits und dem Schutz vor Diskriminierung und Antisemitismus andererseits besser zu fassen und situationsadäquat zu lösen.

Katharina Fegebank sieht Hochschulen in der Verantwortung, Antisemitismus und Diskriminierung zu bekämpfen und gleichzeitig Wissenschaftsfreiheit zu gewährleisten. Insoweit verweist sie auf die im November 2024 beschlossene Landesstrategie gegen Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens in Hamburg. Sie versteht die in der Bundestagsresolution verankerte Definition der International Holocaust Remembrance Alliance als einen zwar wichtigen Orientierungsrahmen, der jedoch keine rechtlich bindenden Maßstäbe setzt. 

Wie in der Landesstrategie beschlossen, sollten die Hamburger Hochschulen diese Definition in der – von Grünberger so bezeichneten – Organisationsdimension gegenstandsangemessen berücksichtigen. Für sie seien offene, gleichberechtigte Räume an Hochschulen essenziell, um gesellschaftliche Themen wie Antisemitismus nachhaltig zu bearbeiten.

 

 

Die Exzellenzstrategie: Impulsgeber oder Innovationsbremse?

Bezogen auf die Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit bezeichnete Grünberger bewusst überspitzend die Exzellenzstrategie des Bundes als zentralisiert und ineffizient. Er fragte, ob Sie nicht doch Kreativität hemme und echten Wettbewerb verhindere: Immerhin müssten Hochschulen ihre Forschenden auf die Optimierung von Anträgen ausrichten und angesichts der erheblichen zeitlichen Belastung der Gutachtenden sei es naheliegend anzunehmen, dass etablierte Ansätze wirklich innovativen – und auch mit dem Risiko des Scheiterns verbundenen Forschungsfragen eine bessere Realisierungschance hätten.

Katharina Fegebank sieht hingegen in der Exzellenzstrategie eine wichtige Chance, Hamburgs Position als Wissenschaftsstandort zu stärken, internationale Kooperationen auszubauen und die Stadt über Norddeutschland hinaus sichtbar zu machen. Sie sieht die von Grünberger skizzierten Probleme, weist aber darauf hin, dass sie sich in Hamburg so nicht realisiert hätten. Im Gegenteil: Die Exzellenzinitiative wäre der Startschuss für eine besser Verzahnung der Hamburger Hochschullandschaft insgesamt gewesen. Darin liege auch die Zukunft der Hamburger Wissenschaft.

Dr. Alexa Meyer-Hamme, vom Zentrum für Studium generale und Persönlichkeitsentwicklung, bedankt sich bei Prof. Dr. Michael Grünberger und Katharina Fegebank für die Diskussion und bei Prof. Manuel Hartung für die Rahmung. Die Reihe „Bucerius Campus-Dialoge“ bringt regelmäßig Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu Gast an die Bucerius Law School.

Text

Inga Siek

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