Das ist: Gina – Praktikantin bei der Staatsanwaltschaft

Jurastudent*innen der Bucerius Law School absolvieren zwei Praktika um Einblicke in die Rechtspraxis zu erhalten. Hier berichten sie darüber.

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Wo hast du dein Einführungspraktikum verbracht? 

Ich war gemeinsam mit drei weiteren Kommiliton*innen bei der Staatsanwaltschaft (StA) in Hamburg. Wir haben das Praktikum in der „Hauptabteilung VI“ absolviert, die vorrangig Delikte der organisierten Kriminalität und Zuwiderhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz verfolgt. Allerdings erhielten wir auch Einblicke in die ebenfalls dort angesiedelte (Unter-)Abteilung für Straftaten gegen das Leben (also Mord und Totschlag).

Grob zusammengefasst bestand das Praktikumsprogramm aus drei Kernelementen:

  • inhaltliche Einführungen über die konkrete Arbeit der einzelnen Abteilungen sowie Veranstaltungen zum beruflichen Einstieg bei der StA o. Ä.
  • Besuch verschiedener Gerichtsverhandlungen inklusive vorhergehender Befassung mit diesen (bspw. durch Akteneinsicht und Besprechung)
  • praktisch geprägte Programmpunkte bei der Polizei und in der Rechtsmedizin

 

In welchem Rechtsgebiet hast du vorwiegend gearbeitet?

Wie bereits oben erwähnt, war unser Praktikumsprogramm in der HA VI angesiedelt, weshalb wir uns vorwiegend mit Betäubungsmitteln, organisierter Kriminalität und Straftaten gegen das Leben beschäftigten. Dies spiegelte sich auch in den von uns besuchten Gerichtsverfahren wider: versuchter Mord, bandenmäßiger Betrug und Drogenhandel via „EncroChat“ waren die primären Anklagepunkte in den jeweiligen Verfahren. 

Dabei haben wir z.B. vermutliche Falschaussagen von Zeug*innen, die praktische Auswirkung internationale Rechtshilfe oder einen Angeklagten im Zeugenschutzprogramm und vieles mehr erlebt.

 

Was hat dir an dem Praktikum besonders gefallen?

Meine persönlichen Highlights waren die „praktischen Programmpunkte“, die auf den ersten Blick nur mittelbar mit der Arbeit der StA verknüpft sind. Konkret haben wir das Institut für Rechtsmedizin am UKE einschließlich – optionaler – Leichenschau, hospitierten eine Schicht lang auf einem Polizei-Kommissariat und begleiteten eine Großkontrolle im Straßenverkehr. 

Herausragend war dabei die Teilnahme an Durchsuchungen mit dem Landeskriminalamt (LKA) gegen ein Netzwerk sogenannter „Drogentaxis“ (Verkauf von Betäubungsmitteln aus Kraftfahrzeugen). Vorrangiges Ziel war die Vollstreckung offener Haftbefehle durch Festnahme sowie die Sicherstellung von Beweismitteln.

Ich persönlich wurde aktiv miteingebunden und durfte sowohl bei der Stürmung als auch bei der Durchsuchung assistieren. Das war ein richtiger Adrenalinkick!

Ich hatte sogar das große Glück bei einer zweiten Razzia mitzuhelfen während meiner Schicht am Polizei-Kommissariat.

 

Wie ist die Atmosphäre im Staatsdienst?

An der Tätigkeit im Staatsdienst faszinierte mich schon immer das dahinterstehende Konzept: durch die Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsordnung verteidigt man eben diese und somit den Rechtsstaat. Ich finde, dass der Staatsdienst somit eine gute Möglichkeit ist, diesem System, welches einem selbst so viel ermöglicht, etwas Wesentliches „zurückzugeben“.

Während des Praktikums war ich sehr überrascht davon, wie jung die StA Hamburg personell aufgestellt ist. Zumeist hatten wir Personen deutlich unter 40 Jahren uns gegenübersitzend. Unabhängig vom Alter kann ich mich fast ausschließlich an freundliche und sehr motiviert wirkende Menschen erinnern. Die Atmosphäre erschien äußerst kollegial und bestärkend.

Dennoch waren die standardmäßige Inneneinrichtung und insbesondere die Büroausstattung im Stil der 70er-Jahre nicht wirklich ansprechend. Bei Gesprächen mit den Staatsanwält*innen wurde sehr deutlich, wie hoch die Arbeitsbelastung ist – was sich teilweise in Aktenbergen auch visualisierte. Zusätzlich ist die Bezahlung zwar nicht niedrig, aber insbesondere im Vergleich zu möglichen Verdiensten in Großkanzleien ist die Besoldung im Staatsdienst verhältnismäßig schlecht.

Zusammenfassend lässt sich meines Erachtens feststellen, dass die Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft aus diversen Gründen einfach unattraktiv geworden ist und sich dies wahrscheinlich nur durch eine deutliche Senkung der hohen Auslastung, flexibleren Arbeitsbedingungen oder erheblich höhere Besoldung ändern ließe.

 

Welche Schwierigkeiten sind dir während des Praktikums begegnet?

Die größten Schwierigkeiten würde ich beim inhaltlichen Verständnis sehen. Am Ende des ersten Studienjahres hat man zwar das materielle Strafrecht abgeschlossen, aber weder die Strafprozessordnung (StPO) noch das Sicherheits- und Ordnungsrecht behandelt. Gerade die fehlenden Kenntnisse zur StPO waren bei verschiedenen Terminen nachteilig.

Allerdings erhielten wir gleich am ersten Tag eine allgemeine Einführung, die viele Fragen des formalen Strafrechts beantwortete. Insgesamt hatten wir aber keine großen Schwierigkeiten und waren schon nach wenigen Tagen in der Lage, fast alles im Gerichtsverfahren zu verstehen.

 

Was war der größte Unterschied zum Unialltag?

Die Frage ist sehr leicht zu beantworten: der geringe Arbeitsaufwand. Trotz des umfangreichen Programms hatten wir meist ur sehr kurze Tage und nahmen oft eher die Rolle von Beobachter- bzw. Zuhörer*innen ein. Dadurch war das Praktikum größtenteils sehr entspannt.

Außerdem war es sehr beruhigend zu sehen, wie irrelevant die Vielzahl von strafrechtlichen Meinungsstreiten für die Strafverfolgungspraxis ist.

 

Welches Fazit ziehst du aus dem Praktikum?

Insgesamt durfte ich ein äußerst abwechslungsreiches Praktikum in der wahrscheinlich spannendsten Hauptabteilung der StA in Hamburg verbringen. Es wurde ein toller Einblick auf eine mögliche Beschäftigung in der „objektivsten Behörde der Welt“ geboten und durch den sehr geringen Arbeitsaufwand konnte ich nebenbei den Sommer genießen.

Obwohl es keine Vergütung gibt – was der Normalfall in Behörden und an Gerichten ist – so lohnt es sich doch das Praktikum bei der StA in Hamburg zu absolvieren aufgrund der einmaligen Erlebnisse. Ich persönlich bin mit meiner Entscheidung mehr als zufrieden und kann die Staatsanwaltschaft uneingeschränkt empfehlen.

 

Gina, vielen Dank für das Interview.

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