Prof. Dr. Linda Kuschel, LL.M.
"Kunst vor Gericht" von Sandra Frimmel et al. (Hg.)
Was darf Kunst? Und was ist "Kunst" überhaupt? Diese Fragen müssen im gesellschaftlichen Diskurs nicht final entschieden werden – vor Gericht schon. Der Sammelband "Kunst vor Gericht" zeigt anhand von Fallbeispielen, wie seit Ende des 19. Jahrhunderts (insbesondere in Ost- und Westeuropa) die Freiräume der Kunst ausgelotet wurden. Der Fokus liegt dabei, was erfrischend ist, nicht so sehr auf den Interessenkollisionen, also dem Abwägen zwischen Kunstfreiheit und staatlichen Normen oder privaten Rechten, sondern auf dem Streit um Ästhetik und Kunstverständnis.
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Prof. Dr. Barbara Weißenberger
"Licht aus dem Osten" vom britischen Historiker Peter Frankopan
Wer unsere Geschichte einmal aus einer ganz neuen Perspektive sehen will, und zwar aus der des Nahen und Mittleren Ostens, wird dieses spannende Buch nicht mehr aus der Hand legen können. Peter Frankopan schlägt den Bogen von der Antike bis zur Neuzeit – über Alexander den Großen, die Völkerwanderung (wer wusste schon, dass sie durch eine Klimakatastrophe im vierten Jahrhundert nach Christus ausgelöst wurde), die Rolle islamischer Gelehrter zur Zeit der Mongolenkhans (die bei weitem nicht so schlimm hausten, wie es immer gern dargestellt wird) oder die Entdeckung der Neuen Welt und dem Aufstieg Europas bis hin zu den heutigen Nahostkonflikten. Wenn man erkennt, dass das traditionelle Narrativ von der ungebrochenen Dominanz seit der Zeit der alten Griechen und Römern bis hin zu den heutigen europäischen Weltmächten nur eines von vielen – und nicht unbedingt das Beste – ist, dann versteht man auch die heutige Politik Chinas zur „Neuen Seidenstraße“ aus einer ganz neuen Perspektive. Darüber hat Peter Frankopan inzwischen übrigens ein neues und vertiefendes Buch geschrieben – in gewisser Weise die Fortsetzung, die man sich für den Sommerurlaub 2020 aufheben kann.
Die deutsche Übersetzung von Michael Bayer und Norbert Juraschitz ist übrigens grandios gelungen, aber auch im Original ist das Buch ein Leseschmaus für die Weihnachtstage („The Silk Roads: A New History of the World“).
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Prof. Dr. Götz T. Wiese
"Wie später ihre Kinder" von Nicolas Mathieu
Preisgekrönt mit dem Prix Goncourt 2018, ist dieses Buch unendlich viel mehr als eine bloße passage à l’âge adulte, angesiedelt im Osten Frankreichs der 1990er Jahre. Es zeigt die Vorgeschichte zur Krise Europas, in der wir uns heute befinden. Grandios übersetzt. In einer nur scheinbar lakonischen Sprache, nur scheinbar hart, vielmehr zart, ja liebevoll denen zugewandt, die leben, lieben, Träume haben, wie später ihre Kinder.
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Prof. Dr. Florian Faust, LL.M.
"Ein ganzes Leben" von Robert Seethaler
Auf 180 Seiten schildert Robert Seethaler das Leben des Andreas Egger in einem Bergtal im vorigen Jahrhundert. Ein berührendes Buch!
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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Katharina Boele-Woelki
"Altes Land" von Dörte Hansen
Das Buch handelt von Hamburg, dem Alten Land und Ostpreußen, zerbrochenen Beziehungen, Einsamkeit und Eigenartigkeiten einer Familie sowie ihren Nachbarn. Weil meine Eltern auch aus Ostpreußen geflüchtet sind und ich jetzt in Hamburg lebe, hat die Lektüre Bekanntes und Neues für mich verknüpft. Die Autorin ist wortgewandt und witzig, sie kann Situationen und Gefühle lebensnah darstellen. Ein pageturner!
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Prof. Dr. Jens Prütting, LL.M. oec.
"Die Känguru-Chroniken" / "Das Känguru-Manifest" / "Die Känguru-Offenbarung" / "Die Känguru-Apokryphen" von Marc-Uwe Kling
Ich möchte gerne auf die Känguru-Reihe hinweisen. Das sind zwar vier Bücher aus unterschiedlichen Jahren (das Vierte kann dann jedenfalls als zeitgemäße Empfehlung für 2019 durchgehen), aber sie sind ein ganz wunderbares Geschenk für jeden, der sie noch nicht kennt. Humor der ganz anderen Art. Für manches Kapitel benötigt selbst der versierte Leser noch einmal einen auffrischenden Blick in ein Geschichtsbuch oder wenigstens in den zugehörigen Wikipedia-Artikel. Zudem: Wie oft begegnet man einem kommunistischen Känguru, das auf Schnapspralinen steht?
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Prof. Dr. Paul Krell
"The Border" (dt.: "Jahre des Jägers") von Don Winslow
Nach "The Power of the Dog" (dt.: "Tage der Toten") und "The Cartel" (dt.: "Das Kartell") beschließt Don Winslow seine epochale Trilogie über den „war on drugs“. Art Keller, an sich im Ruhestand, erhält unverhofft das Angebot, die Leitung der DEA zu übernehmen. Schonungslos und mit starken Charakteren gibt Winslow über verschiedene Handlungsstränge tiefe Einblicke in das Drogenelend in den Vereinigten Staaten und Mittelamerika.
Die 736 Seiten sind so fesselnd, dass man sie regelrecht verschlingt. Disclaimer: Kein Buch für empfindliche Gemüter (Gewalt und schroffe Sprache).
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Prof. Dr. Thilo Kuntz, LL.M. (Chicago)
"Zeit der Unterhändler. Koordinierter Kapitalismus in Deutschland und Frankreich zwischen 1920 und 1950" von Philipp Müller
Das Werk wirft mit starken Thesen ein neues Licht auf die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich, indem der Autor nicht in erster Linie auf die „große Politik“ schaut, sondern das Agieren der Vertreter industrieller Interessenverbände betrachtet. Kritisch gegenüber der Demokratie und Parlamenten, aber überzeugt vom Nutzen kollektiv koordinierten Handelns, um vermeintlich schädlichen Wettbewerb zu verhindern und den europäischen Markt vor US-amerikanischen Konkurrenten zu schützen, fanden Personen zu gemeinsamen Ansichten über den „koordinierten“ Kapitalismus, die angesichts der historischen Hintergründe in an sich opponierenden Lagern standen.
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Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann
"Into the Silence" von Wade Davis
Es geht hier um eine hervorragend recherchierte und spannend geschriebene Darstellung der drei großen Himalaya-Expeditionen der Briten der Jahre 1921, 1922 und 1924. Bei der letzten dieser Expeditionen kam das Gipfelteam, George Mallory und Andrew Irvine, ums Leben. Ob beide den Gipfel erreicht haben, ist unklar, aber sehr unwahrscheinlich; zum letzten Mal durchs Fernglas lebend gesehen wurden beide von John Noel am 8. Juni 1924 um 12:50 am Gipfelgrat in der Nähe des sogenannten „Second Step“. Im Mai 1986 wurde der Körper von Mallory an der Stelle gefunden, bis zu der er offenbar abgestürzt war; seine Kamera hatte er nicht mehr bei sich. Auch wer sich eigentlich nicht brennend für das Bergsteigen und dessen Geschichte interessiert, wird beim Lesen dieses Buches auf seine Kosten kommen, weil der kulturgeschichtliche Kontext der Expeditionen eine große Rolle in dem Buch spielt: das Drama des Ersten Weltkrieges und seine Wirkungen auf die kollektive Psyche der Engländer, das Vizekönigtum Indien, das bis dahin von „Weißen“ ganz unberührte Sikkim und Tibet, die Menschen und Landschaften – und natürlich die wunderbaren Berge. Der Guardian schrieb zu Recht: „Brilliantly engrossing … a superb book … At once a group biography of remarkable characters snatched from oblivion, an instant classic of mountaineering literature, a study in imperial decline and an epic of exploration”.
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Prof. Dr. Anne Röthel
"Von oben" von Sibylle Lewitscharoff
Kann man über die Möglichkeit eines Seins nach dem Tod frei von Platitüden fabulieren? – Sibylle Lewitscharoff kann es. Sie erzählt die Berliner Gegenwart mit Persönlichem und Politischem, mit ihren Verheißungen und ihrem Alltäglichem „von oben“, sie erzählt von einem Leben, das einmal war, aus der Sicht von einem, der nun nur noch Zuschauer ist. Ein wunderbarer Grenzgang, eine sprachliche Verführung, zugleich ein Lehrstück über das Glück des Handeln-Könnens.
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Prof. Dr. Hermann Pünder, LL.M. (Iowa)
"Candide oder Die beste aller Welten" von Voltaire
Jetzt ist er vollends übergeschnappt, mag denken, wer liest, dass ich Voltaire zur Lektüre in freier Zeit empfehle. Aber Obacht: Zwar geht es um eine philosophische Auseinandersetzung. Kraftvoll wird die These von Leibniz zerlegt, dass Gott „die beste aller möglichen Welten“ geschaffen hat. Das tut Voltaire aber in einem Roman, der die Cohen-Brüder (Fargo!) zu einem Film, besser noch zu einer Serie inspirieren könnte. Candide, der auf dem Schloss des Barons Thunder-ten-tronckh (Voltaire sprach kein Deutsch!) im „herrlich friedlichen Westfalen“ aufgewachsen ist, muss auf der Suche nach seiner Geliebten Haarsträubendes erleben. Was ihm widerfährt, wird nicht verraten. Ich will nicht „spoilern“. Soviel sei aber gesagt: Während meiner Wehrdienstzeit hat mir der Roman, als Reclam-Heftchen in der Uniform verborgen, manche Mühsal relativiert. Und: Geschichte endet lebensklug versöhnlich. Als Candides Lehrer Pangloss nach all dem Schrecken wieder von der besten aller Welten schwafelt, sagt Candide bloß: „Cela bien dit, mais il faut cultiver notre jardin.“ Das Büchlein kostet übrigens bloß vier Euro. Wer sich das nicht leisten kann, mag sich an mich wenden. Kultivieren Sie Ihren Garten! Das möchte ich Ihnen unbedingt mit auf Ihren Weg geben.