„In den Fängen des NS-Staates“ mit Dr. Tilman Pünder

Am 1. Dezember 2021 hielt Dr. Tilman Pünder im Auditorium einen Vortrag über die Schicksale seiner Familie zur Zeit des „Dritten Reichs“

Tilman Pünder, ehemaliger Oberstadtdirektor von Münster und Vater von Professor Hermann Pünder, wurde 1932 als fünftes und jüngstes Kind von Hermann Pünder und Magda Pünder (geb. Statz) in die werdende NS-Zeit hineingeboren. Im Gegensatz zum Großteil der damaligen Gesellschaft war die Familie Pünder nicht vom Nationalsozialismus „begeistert“, erzählte Tilman Pünder. Deshalb hielten sich die Eltern im politischen Austausch mit Nachbarn und Bekannten zunächst zurück.

 

Die Ablehnung gegenüber dem NS-Regime lag in der Familie

Ein Cousin der Mutter Magda Pünder war Erich Klausener, ein führender Vertreter des politischen Katholizismus im Deutschen Reich. Als Leiter der Berliner „Katholischen Aktion“ kritisierte er öffentlich die Kirchenpolitik der Nationalsozialisten und die Ausgrenzung von weltanschaulichen Kontrahenten. Infolgedessen – und weil Klausener als Chef der Preußischen Polizei die Nationalsozialisten in der Endphase der Weimarer Republik bekämpft hatte – wurde er im Zuge der sog. Röhm-Affäre auf Befehl von Hermann Göring am 30. Juni 1934 ermordet. Daraufhin verklagte der Rechtsanwalt Werner Pünder, ein Bruder von Hermann Pünder, auf Bitten von Klauseners Ehefrau am 27. März 1935 das Deutsche Reich, vertreten durch den Reichskanzler Adolf Hitler, auf Schadensersatz wegen Mordes. Das nationalsozialistische Regime verhaftete Werner Pünder, ließ ihn aber einige Wochen später wieder frei.

Auch Leo Statz, der Bruder von Magda Pünder, stand in Opposition zu den Nationalsozialisten. Am 1. September 1943 verhaftete ihn die Gestapo. Vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler wurde er wegen „Zersetzungspropaganda“ zum Tode verurteilt und am 1. November 1943 im Zuchthaus Brandenburg-Görden enthauptet.

 

Inhaftierung seines Vaters

Der Vater Hermann Pünder, Chef der Reichskanzlei unter den Reichskanzlern Wilhelm Marx (Zentrum), Hermann Müller (SPD) und Heinrich Brüning (Zentrum) in der Weimarer Republik, geriet nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 ebenfalls in die Fänge des NS-Staats. Mehrere Monate wurde er in Berlin im Gestapo-Gefängnis eingesperrt. Man warf ihm die Beteiligung an der Verschwörung gegen Hitler vor. Nur durch gute Kontakte seiner Schwester Marianne Pünder wurde er nach der Hauptverhandlung im Volksgerichtshof freigesprochen. Tilman Pünder besuchte seinen Vater mit seiner Mutter im Gefängnis, doch nach kurzer Zeit brach der Kontakt ab. Trotz des Freispruchs wurde Hermann Pünder in verschiedene Konzentrationslager verschleppt.

Diese und viele weitere Erzählungen über die Familie Pünder sowie spannende Anekdoten des Widerstands gegen den Nationalsozialismus wusste Tilman Pünder mit seinen 88 Jahren einprägsam vorzutragen, sodass im Anschluss an seinen Vortrag nach vielen Fragen aus dem Publikum ein angeregtes Gespräch entstand.

Die Bucerius Law School ist sehr traurig, dass Tilman Pünder wenige Tage nach dem Vortrag am 18. Dezember 2021 unerwartet verstorben ist. Wir sind sehr dankbar, dass er seine Familiengeschichte mit uns geteilt hat und wir ihn persönlich kennenlernen durften. Der Austausch mit ihm wird allen Teilnehmenden in prägender Erinnerung bleiben. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei seiner Familie.

Vortrag (PDF)

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