Juristische Berufung im Klassenzimmer
Schon früh stand für Kröll fest, dass er Jurist werden wollte. Ein Schlüsselmoment war ein Ereignis im Schulunterricht. „Mich hat die Juristerei immer interessiert, und erstaunlicherweise gab es ein Schul-Event, wo ich das genau festmachen kann“, erinnert er sich.
Damals ging es im Religionsunterricht um die Geschichte vom barmherzigen Samariter. In der Geschichte geht es um einen Samariter der Personen geholfen hat und dabei auch falsche Entscheidungen getroffen hat. Der Samariter musste dann für seine angeblichen falschen Entscheidungen haften.
Kröll sollte den Samariter und dessen Handlungen verteidigen. „Mich hat das so geärgert, dass derjenige, der geholfen hat, für seine angeblichen Fehler haften musste, dass ich da auf alle Fälle etwas ändern wollte“, sagt er rückblickend. Die Erfahrung, sich ungerecht behandelt zu fühlen, war für ihn Ansporn, sich juristisch weiterzuentwickeln.
Moot Courts: Perspektivenwechsel und Praxisnähe
Besonders wichtig ist Kröll die Arbeit mit Studierenden im Rahmen des Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot Courts (VisMoot) sowie sonstiger Moot Courts. „Ein Moot Court ist im Grunde die Simulation eines Falls aus der Praxis. Zuerst vertritt man den Kläger, dann erhält man den Schriftsatz der Gegenseite und schreibt als Beklagter einen Schriftsatz – am Ende gibt es eine mündliche Verhandlung“, erläutert Kröll, der einer der Direktoren des Vis Moot ist.
Für Kröll bieten Moot Courts nicht nur fachliche Vorbereitung, sondern auch die Chance, grundlegende Fähigkeiten zu trainieren inklusive des Verständnisses für andere Sichtweisen. „Man realisiert, dass es selten etwas Absolutes gibt“, erklärt er. Das gelte nicht nur für juristische Fälle, sondern auch im generellen gesellschaftlichen Miteinander: „Gerade heute, wo es so viele Spaltungen gibt und man dem anderen kaum noch zuhört, ist das besonders wichtig“, so Kröll.
5 MINUTEN MIT
In der Videoreihe: "5 Minuten mit" stellen wir unsere Professor*innen vor. Was für einen Lehrstuhl haben sie inne und an welchen Schwerpunkten arbeiten Sie? Uns interessiert jedoch genauso sehr, was unsere Professor*innen für Menschen sind. Was steckt hinter dem Lehrstuhl? Was fasziniert sie an der Hochschule und an Hamburg besonders? All das und noch viel mehr beantworten wir in "5 Minuten mit". Hier geht's zu allen Folgen:
ALLE PORTRÄTS
Persönliche Begegnungen, die unter die Haut gehen
Was Kröll besonders bewegt, sind Studierende gerade aus weniger privilegierten Ländern, die trotz widriger Umstände ihren Traum, am Vis Moot teilzunehmen, weiterverfolgen. Zwei Beispiele bleiben ihm besonders im Gedächtnis: ein Frauenteam aus Kabul und die Teams aus der Ukraine.
Das Frauenteam der American University of Women in Kabul war mit zwei Autos auf dem Weg zu der für die Finanzierung entscheidenden nationalen “Vorausscheidung”, als sie Oper eines Anschlages geworden sind. Bei diesem Anschlag explodierte eine Autobombe, die den Fahrer verletzte und das eine Auto zerstörte.
„Da hätte jeder bei uns gesagt: […] ich fahre jetzt nach Hause“, sagt Kröll. Doch die jungen Frauen entschieden sich, vom vorderen Auto ins hintere Auto zu steigen und weiterzufahren. Sie sind am Ende bei dem Vis East in Hongkong angetreten. „Selbst wenn ich das jetzt erzähle, läuft es mir noch kalt den Rücken runter“, da Kröll dieses Engagement der jungen Leute fasziniert.
Ähnlich beeindruckt zeigt er sich vom Engagement ukrainischer Studierender 2022. Nach dem Beginn des Krieges Russlands in der Ukraine, hatten man von Seiten der Vis Moot Organisation den ukrainischen Studierenden jede erdenkliche logistische und finanzielle Hilfe zugesagt, um eine Teilnahme möglich zu machen.
Kröll erinnert sich, dass er überzeugt war, dass die Studierenden während des Krieges andere Sorgen hätten, als an einem Studentenwettbewerb zur außergerichtlichen Streitbeteiligung teilzunehmen. Trotz des Krieges haben alle Teams aus der Ukraine an den mündlichen Verhandlungen des Vis Moot Court in Wien teilgenommen. „Die Studierenden haben gesagt: Das ist der Grund, warum ich morgens aufstehe“ berichtet Kröll.
Kröll sieht Herausforderungen im stark examensorientierten System
Bei aller Begeisterung für den Ansatz der Bucerius Law School und für die Leistungsbereitschaft der Studierenden sieht Kröll auch Herausforderungen im System. Durch das verschulte System an der Hochschulen und der starken Fokussierung vieler Studierenden auf dem Examen ließen sich gerade risikoaversere Studierende von einer Teilnahme an zeitintensiven extrakurrikularen Aktivitäten abhalten. Dies bedauere er sehr, da diese Aktivitäten wie z.B. die Moot Courts häufig das Salz in der Suppe des Jurastudiums seien.
„Manche unterschätzen ihr Potenzial bei den Moot Courts und fokussieren sich zu sehr auf das Examen – aus Angst, dass es sonst nicht passt für die Karriere“, meint er. Dabei sei die berufliche Perspektive der Studierenden, die an der Bucerius Law School studiert haben, ohnehin ausgezeichnet: „Ob man einen halben Punkt mehr oder weniger hat, macht da keinen Unterschied, wenn man sich den Notendurchschnitt ansieht und wird zudem durch erworbenen zusätzlichen Qualitäten mehr als ausgeglichen“, so Kröll.
Privat in Köln, beruflich in Hamburg
Privat lebt Kröll mit seiner Familie weiterhin in Köln – doch Hamburg hat er über die Jahre schätzen gelernt. „Das Einzige, was in Köln vielleicht vorzuziehen ist: Man ist noch offener“, sagt er. In Hamburg sei das Miteinander etwas zurückhaltender, aber die Stadt sei dennoch „toll und sehr lebenswert“.