
„Autonomie“ als normative Zuschreibung
Dr. Felix Schumann spricht in seinem Vortrag über die Vorteile eines strictly legal point of view am Beispiel des rechtlichen Autonomiebegriffs.

Im Herbsttrimester 2025 findet an der Bucerius Law School eine Ringvorlesung zum Thema „Responsive Rechtswissenschaft“ statt. Die Ringvorlesung wird organisiert von Prof. Dr. Michael Grünberger, LL.M. (NYU) und Dr. André Reinelt (Claussen-Simon-Stiftungslehrstuhl für Privatrecht und Responsive Rechtswissenschaft).
Wie kann die Rechtswissenschaft auf die jeweils zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen und die damit verbundenen Antworterwartungen an das Recht angemessen reagieren?
Die Ringvorlesung widmet sich dieser Frage – und bringt Rechtswissenschaftler:innen aller Karrierestufen aus ganz Deutschland zusammen, um ihre interdisziplinären Forschungsansätze vorzustellen, zu diskutieren und weiterzudenken.
Im Zentrum der Ringvorlesung steht ein methodisches Anliegen: Die (deutsche) Rechtswissenschaft sieht ihre wichtigste Aufgabe in der systematischen Durchdringung und Fortentwicklung des geltenden Rechts. Die traditionelle Rechtsdogmatik nimmt dabei – aus vielen Gründen – einen strictly legal point of view ein. Sie ist zurückhaltend gegenüber der normativen Einbeziehung und Vearbeitung außerrechtlicher Wissensbestände. Angesichts komplexer gesellschaftlicher Phänomene wie die Klimakrise, algorithmischer Diskriminierung oder digitaler Machtkonzentration stößt diese Herangehensweise an ihre Grenzen.
Die Ringvorlesung beleuchtet verschiedene Perspektiven und Zugänge, welche die rechtswissenschaftliche Argumentation erweitern können. Das geschieht, indem Erkenntnisse aus anderen Disziplinen – etwa der Soziologie, der Ethik, der Informatik oder den Wirtschaftswissenschaften – systematisch in das juristische Denken einbezogen werden, ohne dabei die Besonderheit rechtswissenschaftlicher Tätigkeit aufzugeben. Welche Chancen, aber auch welche methodischen und theoretischen Spannungsfelder ergeben sich daraus?
Responsive Rechtswissenschaft als Methode ist dabei mehr als nur die Offenheit für andere, außerrechtliche Perspektiven und Wissensbestände: Es geht ihr um die bewusste Auseinandersetzung mit methodischen Zugängen, die Beobachtungen aus Nachbardisziplinen aufgreifen, reflektieren und rechtsintern produktiv machen. Das erfordert ein hohes Maß an methodischem Bewusstsein und interdisziplinärer Übersetzungsarbeit.
Die Kernfrage lautet: Wie kann das Recht (und seine Wissenschaft) einerseits an der eigenen Autonomie festhalten und sich zugleich für Veränderungsprozesse in seinen Umwelten sensibilisieren und sich dieses Umweltwissen für seine eigenen juristischen Prozesse fruchtbar erschließen?
Das Format richtet sich an alle, die an methodischer, theoretischer und dogmatischer Weiterentwicklung der Rechtswissenschaft interessiert sind, von Studierenden, über Promovierende und Postdocs zu Professor:innen und Rechtspraktiker:innen, die Interesse am methodentheoretischen Diskurs und der möglichen Auswirkung auf die Praxis haben.
Die Ringvorlesung ist ein Raum für den Austausch, die Vernetzung und wissenschaftliche Debatte. Die Ringvorlesung will auch dazu beitragen, interdisziplinäre Forschung in der Rechtswissenschaft sichtbarer und (selbst)verständlicher zu machen; jedenfalls aber die Neugier darauf zu wecken. Dazu laden wir alle Interessierten herzlich ein!
Für Studierende der Bucerius Law School ist eine Anrechnung als Wahlveranstaltung oder Grundlagenfach möglich.
Die Ringvorlesung wird gefördert durch die Claussen-Simon-Stiftung.


